Auch für das Vokabellernen oder für das Behalten von Fremdwörtern sind Phantasie und Kreativität gefragt. Hier ein Lerntipp, der viele verschiedene lernpsychologische Erkenntnisse berücksichtigt:
Nimm den Text, in dem die Vokabeln stehen und spiele den Text als Rollenspiel durch.
Mache bei dem Rollenspiel alles, was die Personen auch tun, d. h., sprich laut und deutlich, stelle dir das Geschehen vor deinem geistigen Auge wie einen Film vor, bewege dich wie diese Personen im Raum.
Erzähle dir anschließend die Geschichte noch einmal selbst, denn auf diese Weise hast du fast alle Vokabeln durch das Spiel gelernt.
Beispiel: Du musst die Vokabeln aus einem Englischtext lernen, in dem beschrieben wird, wie Maria Stuart verdächtigt wurde, an einem Attentat auf die englische Königin Elisabeth I. beteiligt gewesen zu sein und wegen Hochverrats 1587 hingerichtet wurde. Dabei kann man sich in die beiden Personen hineinversetzen und einen Dialog mit ihnen führen. Oder sich vorstellen, wie Elisabeth versuchte, den Gefängniswärter Sir Amyas Paulet dazu zu bringen, Maria zu ermorden, um die Hinrichtung einer gesalbten Königin zu umgehen. Oder dass Maria wie eine Nonne an der Hinrichtungsstätte in einem schwarzen Satinkleid erschien, am Gürtel zwei Rosenkränze trug und ihr Haar mit einem weißen Schleier bedeckt hatte. Dass der Scharfrichter nervös war, denn er brauchte drei Schläge mit der Axt, um Marias Kopf vom Körper zu trennen, und als er den Kopf nach der Hinrichtung hochhalten wollte, nur eine Perücke ergriff und der Kopf mit kurzgeschorenem grauem Haa herunterfiel. Auch soll sich der Schoßhund der Königin in ihren Gewändern versteckt haben.
Wissenschaftliche Grundlage ist das Konzept des multimodalen Enrichment
Viele pädagogische Ansätze gehen davon aus, dass die Integration ergänzender sensorischer und motorischer Informationen in die Lernerfahrung das Lernen verbessern kann, z. B. helfen Gesten beim Erlernen neuer Vokabeln im Fremdsprachenunterricht. Mathias & von Kriegstein (2023) fassen diese Methoden der multimodalen Anreicherung in einem Überblicksartikel zusammen, indem sie kognitive, neurowissenschaftliche und computergestützte Theorien der multimodalen Anreicherung vergleichen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die positiven Auswirkungen von multimodaler Anreicherung auf das Lernen mit einer Reaktion des Gehirns in Hirnregionen verbunden sind, die der Wahrnehmung und Motorik dienen. So kann beispielsweise das Hören eines kürzlich gelernten Fremdsprachenworts eine Aktivität in motorischen Hirnregionen auslösen, wenn das Wort mit der Ausführung einer Geste während des Lernens verbunden war, die dem Inhalt des Wortes entsprach. Demnach ist das Gehirn für das Lernen mit allen Sinnen und mit Bewegung optimiert, weil die Gehirnstrukturen für Wahrnehmung und Motorik zusammenarbeiten, um diese Art des Lernens zu fördern. Solche Studien zeigen auch, warum einige seit langem praktizierte Lernstrategien, wie Teile der Montessori-Methode wirksam sind und warum andere Ansätze nicht so effektiv sind. Kürzlich aufgedeckte neurowissenschaftliche Mechanismen könnten die Aktualisierung von kognitiven und computergestützten Lerntheorien inspirieren und neue Hypothesen über das Lernen liefern. Es ist zu erwarten, dass ein solcher interdisziplinärer und evidenzbasierter Ansatz in Zukunft zur Optimierung von Lehr- und Lernstrategien führen wird, sowohl für Menschen als auch für künstliche Systeme.
Lerncoach Jürgen Möller beim Elternabend von ANTENNE BAYERN:
„Grundsätzlich geht es immer darum, mit allen Sinnen zu lernen, also das typische einfach nur still und leise am Schreibtisch zu sitzen, wird eher nicht dazu führen, dass ein Kind gehirngerecht lernt. Ich nenne es immer die Masterfähigkeiten, die eingesetzt werden müssen. Und das ist einmal das Strukturieren, also wenn ich Lernstoff strukturiere, kann ich ihn schneller aufnehmen, kann mich länger daran erinnern. Das zweite ist das Visualisieren, sich also ernsthaft zu veranschaulichen, denn unser Gehirn denkt in bunten Bildern und Farben, nicht in Schwarz-Weiß-Texten, deswegen können wir uns Schwarz-Weiß-Texte nicht merken, ja. Wir haben immer Bilder im Kopf, wenn wir an was denken. Dann kann ich mir Dinge immer besser merken, weil Bilder eine größere Informationsmenge sind und deshalb mehr Platz im Gehirn einnehmen, um das ein bisschen unwissenschaftlich zu formulieren.“
Literatur
Mathias, Brian & von Kriegstein, Katharina (2023). Enriched learning: behavior, brain, and computation. Trends in Cognitive Sciences, 27, 81-97.
Stangl, W. (2023, 3. Februar). Der Einfluss des multimodalen Enrichments auf das Lernen. News zum Thema Lernen.
https:// news.lerntipp.at/der-einfluss-des-multimodalen-enrichments-auf-das-lernen/.