„Lernen lernen“ steht in vielen Schulen und Bildungsinstitutionen in irgendeiner Form auf dem Stundenplan, wobei in der Regel von sogenannten Lerntrainern – manche sagen auch Lerngurus – entweder den Kindern selber, deren Eltern oder deren LehrerInnen uralte Mnemotechniken meist showartig und plakativ präsentiert werden. Offensichtlich hofft man damit kurzfristig das auch von den Medien beförderte Bedürfnis nach solchen Informationen – Stichwort: Lebenslanges Lernen – zu befriedigen, achtet jedoch nicht auf Nachhaltigkeit, die das eigentliche Ziel sein sollte. Es ist unzweifelhaft, dass Kinder Lernfähigkeit brauchen, um im Leben bestehen zu können, jedoch wird in den meisten Fällen das „Lernen lernen“ nicht am konkreten Schulstoff demonstriert, sondern an den schon berüchtigten letzten Präsidenten der USA, einem mehr oder minder originellen Einkaufszettel oder an den zwanzig Nachkommastellen von Pi. Meist wird das alles noch garniert und begründet mit den angeblich neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung, wobei sich das bei genauerem Hinsehen als längst bekanntes psychologisches Grundwissen über die Funktionen des menschlichen Lernens und der Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses erweist. Hinzu kommt oft eine allzu optimistische Interpretation der Funktionen des menschlichen Gehirns, etwa im Hinblick auf die Möglichkeiten, eine „zusätzliche Gehirnhälfte“ zu aktivieren – dabei wird in vielen Fällen eher das Bauchhirn aktiviert -, oder von der überall propagierten frühkindlichen Bildung, die die ebenfalls die merkwürdigsten Blüten treibt.
Das grundlegende Problem solcher Inszenierungen liegt darin, dass diese durchaus praktikablen Methoden einerseits isoliert wie zusätzlicher Lernstoff vermittelt werden – viele der mnemotechnischen Methoden erfordern ein aufwändiges Erarbeiten eines gedächtnisorientierten Grundgerüstes -, und andererseits keine Umsetzung durch ständige Wiederholung im konkreten Schulalltag stattfindet. Nicht zuletzt scheitern solche „Lernen lernen“-Kurse an den unterstützenden Maßnahmen, wobei das bei solchen Präsentationen bei den ZuschauerInnen erzeugte Staunen in der Regel nicht in Motivation umgesetzt werden kann. Unter Umständen kauft man ein bei solchen Veranstaltungen angepriesenes Buch oder Computerprogramm, das aber nach kurzer Zeit in einer Ecke verstaubt.
Wesentlich effektiver als solche Einmal-Inszenierungen sind Veränderungen in den Einstellungen der Eltern zu Lernen und Leistung bzw. deren Möglichkeiten, bei ihren Kindern deren Interessen zu fördern und zu wecken. Ein Kind, das sich für ein Thema interessiert, muss dafür nicht lernen, denn bekanntlich gibt es Dreijährige, die alle Dinosaurier-Rassen aufzählen können, oder Sechsjährige, die komplette Spots des Werbefernsehens im Schlaf aufsagen können. Kinder wie auch Erwachsene lernen bekanntlich am besten, wenn sie sich selbst Dinge erarbeiten dürfen, denn selbst erarbeitetes Wissen wird deutlich langfristiger abgespeichert, als passiv erworbenes, wobei es vermutlich immer eine Diskrepanz zwischen dem „natürlichen Lernen“ des Alltags und dem „Schullernen“, das vor allem auf Wiederholen von interessensfernen Inhalten basiert, geben wird. Wenn man für einen Lernstoff Eselsbrücken und andere mnemotechnische Hilfen benötigt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass dieses Wissen weder kurz- noch langfristig relevant ist. Wer einmal mit der bloßen Hand in Brennnesseln gegriffen hat, der braucht das Wissen um die Folgen kein zweites Mal erwerben, eher wird daraus die Motivation entstehen, die biologischen Ursachen zu erforschen.