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Üben als zentraler Bestandteil erfolgreichen Lernens

    Lernposter

    Üben ist ein zentraler Bestandteil erfolgreichen Lernens, wird jedoch in der Forschung im Vergleich zum initialen Wissenserwerb bislang eher vernachlässigt. Dabei ist es insbesondere für die Konsolidierung von Wissen entscheidend, also für dessen dauerhafte Verankerung im Gedächtnis. Diese Konsolidierung ist wesentlich für nachhaltiges Lernen, das nicht nur kurzfristige Lernerfolge ermöglicht, sondern Wissen langfristig verfügbar macht und als Grundlage für weiterführendes Lernen dient.

    In der lernpsychologischen Forschung wurden drei Übungsformen identifiziert, die besonders effektiv für die Wissenskonsolidierung sind. Sie basieren auf dem Konzept der „wünschenswerten Erschwernisse“, das besagt, dass Lernprozesse effektiver werden, wenn sie eine gewisse kognitive Anstrengung erfordern. Die genannten Übungsformen wurden primär in Laborexperimenten untersucht und sind theoretisch gut durch gedächtnispsychologische Modelle abgesichert. Zusätzlich wurde diskutiert, wie diese Übungsformen durch sogenanntes „verschachteltes Üben“ noch wirkungsvoller gestaltet werden könnten. Die Anwendung dieser Konzepte auf reale Lernsituationen im Schul- und Hochschulkontext ist jedoch noch relativ neu, und es bestehen weiterhin offene Fragen.

    Ein zentrales Problem besteht darin, dass diese Übungsformen bislang vor allem bei isolierten Faktenwissen eingesetzt wurden. Es ist noch unklar, wie sie sich auf komplexere, inhaltlich eingebettete Lernprozesse übertragen lassen. Beispielsweise ist nicht ausreichend erforscht, wie das Verstehen eines Lerninhalts mit der Wirksamkeit bestimmter Übungsformen – wie etwa der Abrufübung – zusammenhängt. Es wird diskutiert, ob ein gutes Verständnis das Abrufen überflüssig macht oder im Gegenteil eine Voraussetzung für die effektive Konsolidierung ist. Hierbei geht es auch um das Verhältnis zwischen Übung und sogenannten generativen Lernaktivitäten, die darauf abzielen, neues Wissen mit vorhandenem Wissen aktiv zu verknüpfen.

    Ein Ansatz zur Verbindung dieser beiden Perspektiven ist das Konzept des „konstruktiven Abrufs“, bei dem Übungsfragen so gestaltet sind, dass sie nicht nur reines Erinnern, sondern auch (re-)konstruktive Denkprozesse fördern. Solche Verbindungen zwischen Übung und generativem Lernen erscheinen vielversprechend, müssen aber weiter erforscht und praktisch erprobt werden – auch im Hinblick auf unterschiedliche Inhalte, Fächer und Lernvoraussetzungen.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbindung dieser Übungsformen in selbstreguliertes Lernen. Da sie anspruchsvoller sind als klassische Übungsformen wie reine Wiederholung, erfordern sie von Lernenden ein gewisses Maß an metakognitiver Einsicht und Motivation. Nur wenn Lernende verstehen, warum solche Methoden effektiv sind, und bereit sind, sich der höheren Anstrengung zu stellen, werden sie diese Formen freiwillig und erfolgreich nutzen. Theoretische Modelle wie „Start and Stick to Desirable Difficulties“ bieten hier wertvolle Ansätze zur Förderung solcher Lernhaltungen.

    Nicht zuletzt verweist ein Rückblick auf die klassische Unterrichtsforschung darauf, dass effektives Lernen im Unterricht schon immer auf regelmäßige Übungsphasen, gezielte Wiederholungen und angemessene Lehrerfragen setzte. Gute Lehrkräfte nutzen Elemente wie verteiltes Üben oder Abrufübungen bereits intuitiv. Die aktuellen Forschungsergebnisse können Lehrkräften helfen, solche bewährten Praktiken gezielter und wirksamer im Sinne eines nachhaltigen Lernens einzusetzen.

    Die folgenden Übungsformen beruhen auf robusten Befunden aus der Gedächtnisforschung und zielen alle darauf ab, das Lernen durch gezielte kognitive Herausforderungen effektiver zu gestalten.

    Abrufübung (Retrieval Practice)

    Statt Informationen nur wiederholt zu lesen oder zu hören, besteht die Methode darin, sich aktiv an Gelerntes zu erinnern – zum Beispiel durch Übungsfragen, Tests oder freies Wiedergeben. Diese Form des aktiven Erinnerns stärkt die Gedächtnisspuren und verbessert die langfristige Behaltensleistung deutlich stärker als bloßes Wiederholen.

    Verteiltes Üben (Distributed Practice)

    Hierbei wird der Lernstoff über einen längeren Zeitraum hinweg in kleineren Abschnitten wiederholt, statt in einer einzelnen intensiven Sitzung (dem sogenannten „massierten Üben“). Diese zeitliche Streckung fördert die Festigung des Wissens, da sie die Wiederaufnahme des Gelernten anspruchsvoller und somit effektiver macht.

    Wechselndes Üben (Interleaving Practice)

    Statt ähnliche Aufgaben geblockt nacheinander zu bearbeiten (z.?B. nur Bruchrechnung), werden unterschiedliche, aber verwandte Inhalte abwechselnd geübt (z.?B. Bruchrechnung, Prozentrechnung, Gleichungen). Dieser Wechsel zwingt die Lernenden, zwischen Konzepten zu unterscheiden und fördert so das tiefere Verständnis und die flexible Anwendung des Gelernten.

    Verschachteltes Üben (Nested Practice)

    Diese Methode kombiniert mehrere der oben genannten Übungsformen in einem durchdachten Lernplan. Zum Beispiel kann man Inhalte verteilt über mehrere Wochen wiederholen (verteiltes Üben), dabei verschiedene Themen abwechselnd behandeln (wechselndes Üben) und regelmäßig Abrufübungen einbauen. Durch diese systematische Integration entstehen mehrfach „wünschenswerte Erschwernisse“, die den Lerneffekt weiter verstärken.




    Siehe dazu auch
    die zahlreichen falschen Lerntipps,
    die im Internet kursieren!


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