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Die unterschätzte Kunst des Auswendiglernens


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    Im digitalen Zeitalter wirkt Auswendiglernen oft überholt: Warum sich Formeln, Fachbegriffe oder Abläufe merken, wenn alles per Suchmaschine abrufbar ist? Doch gerade dieser Eindruck täuscht, denn ein gut gefüllter Wissensspeicher im Kopf bringt mehrere Vorteile mit sich, die sich im Alltag und im Lernen deutlich bemerkbar machen. Zunächst spart es Zeit, denn Informationen nachzuschlagen – ob im Internet oder in Notizen – unterbricht den Denkfluss. Wer also grundlegende Daten, Regeln oder Abläufe im Gedächtnis hat, arbeitet flüssiger und konzentrierter, was für Studierende in den Natur- und Lebenswissenschaften ebenso wie für Menschen gilt, die in Beratung, Lehrtätigkeit oder Medizin schnell reagieren müssen.

    Ein zweiter Vorteil betrifft die Kreativität, denn ein Gehirn, das über eingeübte Muster, Beispiele und Begriffe verfügt, kann diese leichter neu kombinieren. So entstehen originelle Ideen, neue Lösungswege oder kreative Verknüpfungen. Ähnlich wie beim Training fester Bewegungsfolgen im Sport bildet auch geistiges Üben eine Art innere Bibliothek, aus der sich flexibel schöpfen lässt. Wer über Hintergrundwissen verfügt, hat also mehr Ansatzpunkte, um eigene Gedanken zu entwickeln.

    Auswendig gelerntes Wissen schafft zudem geistige Freiheit,  demm Schauspieler, die ihren Text sicher beherrschen, können ihre gesamte Aufmerksamkeit auf das Spiel und den Ausdruck richten. Experten und Expertinnen, die grundlegende Informationen präsent haben, können Zusammenhänge schneller erkennen und auf komplexe Situationen souveräner reagieren. Wenn die Basis automatisch abrufbar ist, bleiben also mehr mentale Ressourcen für das Wesentliche.

    Darüber hinaus erleichtert ein stabiler Wissensfundus das Lernen selbst, denn neue Inhalte lassen sich besser einordnen, wenn bereits ein Gerüst aus vertrauten Informationen vorhanden ist. Das Gehirn speichert Erinnerungen, indem es synaptische Verbindungen verändert und deren wiederholte Aktivierung stärkt diese Pfade. Besonders effektiv gelingt dies, wenn neue Inhalte mit bereits Bekanntem verknüpft, regelmäßig wiederholt und auf unterschiedliche Weise geübt werden, etwa durch lautes Sprechen, visuelle Hilfen oder eigene Aufzeichnungen.

    Trotz all dieser Vorteile wird Auswendiglernen vermutlich weiter an Bedeutung verlieren, da digitale Hilfsmittel jederzeit verfügbar sind. Dennoch bleibt ein gewisser Grundstock an Wissen wertvoll. In einer Welt, in der Informationen grenzenlos vorhanden sind, wird es immer wichtiger, Wesentliches zu erfassen, zu sortieren und gezielt auszuwählen. Auswendiglernen liefert dafür weiterhin eine stabile Grundlage.

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