Ulrich Schiefele, Lilian Streblow und Julia Brinkmann
Aussteigen oder Durchhalten
Was unterscheidet Studienabbrecher von anderen Studierenden?
Im Rahmen dieses Artikels befassen sich Ulrich Schifele, Lilian Streblow und Julia Brinkman eingehend mit den Bedingungsfaktoren, welche Student/innen bewegen ihr Studium abzubrechen. Dazu wurden zahlreiche Studien analysiert. Weiters werden die unterschiedlichen Faktoren näher erläutert sowie begründet. Die zentrale Fragestellung dieses Artikels ist jedoch „Bezüglich welcher Merkmale unterscheiden sich Studienabbrecher und Weiterstudierende?“
Bedingungsfaktoren des Studienabbruchs
Bisherige Studien haben drei Gruppen von Bedingungsfaktoren untersucht, welche die Ursache dafür sind, dass in Deutschland etwa ein viertel der Studienanfänger jährlich die Hochschule verlassen.
Psychologische Faktoren:
Dabei wurde nachgewiesen, dass Studienabbrecher
- „Arbeits- und Lernstrategien in geringerem Maße anwenden und weniger Zeit und Engagement für das Studium aufbringen als erfolgreich Studierende“ (Schiefele, Streblow & Brinkmann 2007, S.127).
- mit einer geringeren sozialen Kompetenz sich schlechter in das Universitätsleben integrieren und daher zum Abbruch neigen.
- im Vergleich zu Absolventen weniger an ihrem Studium interessiert sind und dadurch eine weniger stark ausgeprägte Lern- und Leistungsmotivation besitzen.
- ihre Leistungen im Vergleich zu ihren Kollegen deutlich geringer einschätzen.
Soziodemografische Merkmale:
Ein erhöhtes Abbruchsrisiko besteht bei Studierenden
- höheren Alters, die größere Lebensansprüche besitzen, welche wiederum mit familiären Aufgaben und gehobenen finanziellen Bedürfnissen verbunden sein können.
- die verheiratet sind und/oder Kinder besitzen.
- mit finanziellen und familiären Notlagen, durch Krankheiten oder sogar durch Hobbies, welche zeitintensiv und studieninhaltsfern sind.
- mit hoher Erwerbstätigkeit, welche Studienleistung- und zufriedenheit beeinträchtigt.
Betrachtet man den Studienabbruch von der wirtschaftlichen Seite, wird die Studienzeit vor dem Abbruch als Fehlinvestition gesehen, da die betroffene Person Zeit und Einkommen verliert. Auch „aus universitärer Sicht bedeutet der Studienabbruch eine Vergeudung finanzieller Ressourcen, denn es werden Lehrkapazitäten und Bildungsangebote genutzt, ohne dass die dabei erworbenen Kenntnisse im Sinne eines „return of investment“ später der Gesellschaft zur Verfügung stehen“ (Schiefele, Streblow & Brinkmann 2007, S. 127).
Wesentliche Unterschiede bei Früh- und Spätabbrechern
Frühabbrecher (Abbruch im ersten oder zweiten Semester) beenden ihr Studium vor allem wegen motivationaler Defizite, weil sie sich für ihr Studienfach vorrangig extrinsisch motiviert entschieden und nicht auf Grund ihres fachlichen Interesses (vgl. Schiefele, Streblow & Brinkmann 2007, S.127). Hingegen waren bei Spätabbrechern (Abbruch ab dem dritten Semester) die Abbruchsgründe finanzielle Engpässe, berufliche Gründe und zum Teil auch geringes inhaltliches Interesse.
Interessanterweise bilden die größte Gruppe der Studienabbrecher die Lehramtsstudierenden, gefolgt von Studierenden der Rechtswissenschaften, der Psychologie, der Pädagogik und der Biologie.
Außerdem wurde nachgewiesen, dass die Studienabbrecher allgemein geringere soziale Ängstlichkeit haben als die Weiterstudierenden. Diese könnte auf die soziale Umgebung zurückzuführen sein, welche im Falle eines Studienabbruchs negativ reagiert. Deshalb ist auch anzunehmen, dass die Ängste vor den sozialen Konsequenzen einen Studienabbruch verhindern.
Zusätzlich – zu den bereits oben erwähnten Bedingungsfaktoren für einen Studienabbruch – ist noch zu erläutern, „dass die zum Abbruchszeitpunkt bestehende Unzufriedenheit mit den Lehrveranstaltungen vor allem auf der negativen Wahrnehmung der Lehrenden beruht und weniger von der beruflichen Relevanz der Inhalte und dem Leistungsdruck abhängt“ (Schiefele, Streblow & Brinkmann 2007, S. 139).
Verwendete Literatur
Schiefele, U., Streblow, L. & Brinkmann, J. (2007). Aussteigen oder Durchhalten. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 39, 127-140.