Vorbemerkung: Auch heute noch scheint es wichtig und notwendig, manche Dinge in der Kindheit oder Schule auswendig zu lernen, und zwar nicht nur, um dadurch Wissen anzuhäufen, sondern vor allem, um eine eigene Identität zu bilden, denn diese besteht nicht zuletzt auch aus dem, woran man sich erinnert. Heute geht das Auswendiglernen mit den neuen Lehrplänen und Unterrichtsmethoden immer mehr verloren, denn man zielt heute vor allem darauf ab, dass SchülerInnen selbst Regeln und die dafür notwendigen Informationen finden, wodurch jenes durch das Auswendiglernen von Konzepten, Texten oder Daten erwerbbare Grundgerüst für das Langzeitgedächtnis und das spätere Erinnerungsvermögen an Bedeutung verliert.
Ganz allgemein bezeichnet Auswendiglernen eine Form des Lernens, bei dem der oer die Lernende sich Texte, Zahlen oder andere Informationen so ins Gedächtnis einprägt, dass er sie später der Lernvorlage getreu wiedergeben kann, wobei auch Handlungsfolgen wie Musikstücke, Tänze, Schachpartien, Kochrezepte und Ähnliches auswendig gelernt werden können. Auswendiglernen wird auch häufig als Gegenpol zum Verständnislernen betrachtet, was natürlich eine gewisse Berechtigung hat. Allerdings gibt es manches, das vor allem in jungen Jahren auswendig gelernt werden muss – etwa Grundlagen der Mathematik wie das Einmaleins oder die Grammatik einer Sprache. Dabei gilt es die „Lernarbeit“ in zwei Schritte zu unterteilen: das Lernen der Abfolge und die Fokussierung auf die Auslöser.
Das Lernen der Abfolge
Ein einfacher Weg ist die reine Repetition, etwa sich den zu lernenden Inhalt auf seinen MP3-Player zu sprechen und immer wieder anzuhören, etwa beim Autofahren, Spazierengehen oder Joggen. Man kann den Text auch immer wieder laut vorlesen, wobei lesen und sprechen etwas mehr Speicherkapazitäten aktiviert, als nur zu hören. Wichtig ist auch, längere Texte in einzelne Abschnitte zu zerlegen, die nicht immer mit den vorgebenen Absätzen zu tun haben müssen. Beim Auswendiglernen sollte man unbedingt die Fähigkeit des Gehirns nutzen, sich bildhafte Dinge wesentlich leichter einzuprägen als Gesprochenes oder Gelesenes, denn das Gehirn denkt häufig in Bildern, wobei möglichst bunte und große Bilder besser sind. Daher ist eine Visualisierung der Struktur des Gelernten sinnvoll, denn will man ein Gedicht lernen, so ist es sinnvoll sich an der Anzahl der Strophen zu orientieren und etwa zu jeder einzelnen ein Comic zeichnen. Man kann auch die gesamte Handlung vor dem geistigen Auge stellen, so als ob man innerlich einen Film sieht.
Die Fokussierung auf den Auslöser
Im zweiten Schritt kommt es darauf an, den gelernten Ablauf auf einen Auslöser hin zu verdichten und diesen Auslöser so zu wählen, dass er sich z.B. mit einer möglichen Prüfungsfrage verknüpft. Man muss also einen Schlüsselbegriff überlegen, durch welches Wort das zuvor Gelernte abgerufen werden sollte. Diesen Auslöser muss man nun mit dem Beginn der Lösung verknüpfen, denn wenn man sich an diesen ersten Aspekt der Lösung erinnert, dann kann das Gehirn meist auch den Rest der Lösung abrufen. Bei einem Gedicht wird der restliche Text einer Strophe durch den Anfang des Satzes abgerufen. Bei Gedichten sollte man besonderen Wert auf die Übergänge legen, etwa dass das letzte Wort der vorherigen Strophe das erste Wort der folgenden Strophe auslösen sollte.
Wichtig dabei ist auch der richtige Abstand der Wiederholungen, wobei man die erste Wiederholung etwa acht Stunden nach dem ersten Lernvorgang ansetzen sollte, also am nächsten Morgen, wenn man gelernt hat, bevor man ins Bett gegangen ist, oder am Abend, wenn man sich gegen Mittag mit dem Text befasst hat. Die zweite Wiederholung sollte etwa nach einem Tag erfolgen, die dritte zwei Tage nach der zweiten Wiederholung. Dieses Muster ist deshalb wichtig, da sich in den Lernpausen das Gehirn weiter mit dem Text beschäftigt, wobei es neue Informationen mit schon vorhandenen verknüpft und weitere Nervenverbindungen herstellt. Um Gedichte ein Leben lang zu behalten, sollte man sie etwa viertel- oder halbjährlich wiederholen.
Lehmann (2007) beklagt, dass niemand mehr Gedichte auswendig lernt, was später auch beim Lernen von Formeln, Geschichtszahlen oder Vokabeln hilfreich wäre und gibt zehn Tipps zum Auswendiglernen von Gedichten, in denen so ziemlich alle „Tricks“ und „Tipps“ zusammengefasst sind:
- Mit Sinn und Verstand: Nicht drauflos lernen, erst sichergehen, dass man verstanden hat, worum es geht. Den Text von vorn bis hinten lesen und in eigenen Worten zusammenfassen.
- Mit Rhythmus: Klatschen, singen, stampfen – alles, was den Takt des Gedichts untermalt, kann eine Stütze sein – , aber bei Gereimtem aufpassen, dass es nicht heruntergeleiert wird!
- Mit Körpereinsatz: Die wenigsten Schüler können im Sitzen auswendig lernen. Ausprobieren, was funktioniert: deklamieren und dabei zur Unterstützung schreiten, Grimassen schneiden, gestikulieren.
- Mit Stimmkraft: Die Zeilen nicht stumm im Kopf durchgehen, sondern vor sich hin murmeln. Dann verschiedene Interpretationen probieren: z. B. betont wütend oder cool sprechen.
- Mit Comicstrips: Manchen kann es helfen, sich den Inhalt aufzumalen, kleine Skizzen für jede Zeile oder Strophe als Gedächtnisstützen anzufertigen.
- Mit Signalwörtern: Eine Trainingseinheit einschieben, die sich nur den Reimen widmet: Die Wörter farbig unterstreichen, dann auswendig lernen.
- Mit Übergängen: Besonderes Augenmerk auf den Sprung von einer Strophe zur nächsten legen: Wie geht es thematisch weiter, fällt mir eine Eselsbrücke zu diesem Anschluss ein? <
- Mit Wiederholungen: Rechtzeitig anfangen ist wichtig. Ausreichend Zeit für mehrere Durchgänge einplanen. Erst das Ganze ein paar Stunden ruhen lassen, dann einen Tag und es dann wieder ins Gedächtnis rufen.
- Mit Generalprobe: Damit der Vortrag vor der Klasse kein Sprung ins kalte Wasser wird, spätestens am Abend vorher schon vor Familie oder Freunden einen Auftritt proben.
- Mit Vorbildern: Gibt es eine Hör-CD, auf der ein Schauspieler das Gedicht vorträgt? Solche Vorbilder können inspirierend wirken, das Erinnern erleichtern.
Hinweis: Unsinnig sind leider immer wieder genannte Tipps wie das häufige Abschreiben eines längeren Textes, wobei das nicht einmal bei schriftlichen Prüfungen hilft, sondern nur viel Zeit kostet, die man besser in strukturiertes Lernen investiert!
Allgemeines zum Auswendiglernen
*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Auswendiglernen hat für viele Menschen keinen guten Klang, auch wenn es heute oft unter dem Begriff Gehirnjogging daherkommt. Früher war es selbstverständlich, denn Jahrtausende lang gehörte das Auswendiglernen heiliger oder profaner Texte, langer Gedichte oder Prosatexte wie Lesen und Schreiben zu jeder Erziehung. In der Antike zählte die memoria, also die Einprägung eines Textes durch bestimmte Techniken, zu den fünf Verfertigungsschritten einer Rede. Aber auch in späteren Jahrhunderten war es Teil vor allem der religiösen Praxis und Ausbildung, es übte das Gedächtnis, bereicherte den Wortschatz und gab den Lernenden die Möglichkeit, Teile des Kanons immer bei sich zu tragen, nämlich in ihrem Kopf. Einen Text auswendig zu können, im Gedächtnis zu bewahren und ihn damit dem Zugriff von außen zu entziehen, kann lebensrettend sein, wie die Schilderung Primo Levis über seine Auschwitz-Erfahrung „Ist das ein Mensch?“ zeigt. Hier berichtet der Ich-Erzähler, wie er dem Mitinsassen Jean mithilfe von Dantes „Göttlicher Komödie“ Italienisch beibringt. Auf dem Weg zur Suppenausgabe rezitiert er den berühmten „Gesang des Odysseus“ und erläutert jede einzelne Terzine, sodass diese Imagination den beiden einen Schutzraum inmitten der Barbarei bietet.
Beim Gedichtelernen übt man, im Text Strukturen zu suchen, zu entdecken oder sich diese auch selbst zu schaffen, wobei das etwas Allgemeines ist, das man auch im Alltag gebrauchen kann. Das menschliche Gehirn geht nämlich sehr systematisch vor, wenn es etwa um Computerpasswörter oder um Telefonnummern geht, es sucht nach Mustern und Strukturen wie den berühmten Eselsbrücken, die beim Abspeichern helfen. Beim Auswendiglernen legt man im Gedächtnis nämlich zwei Spuren an, eine sprachliche und eine über die Bedeutung. Eine Bedeutungsstruktur sich zu merken ist einfacher, auf der sprachlichen Ebene helfen dabei etwa Reim und Rhythmus. Das Gehirn lässt sich aber nicht nur mit Gedichten, sondern aber auch sehr gut mit Kartenspielen trainieren, denn im Laufe eines Spiels muss man sich über einen längeren Zeitraum merken, welcher Spieler wann welche Karten abgelegt hat.
Ein Ausflug nach TikTok zeigt, was die dort versammelte meist halbjugendliche Unintelligenz unter „Auswendiglernen“ versteht und mit welchen Tipps man das am besten unterstützt – einige Hashtags dazu:
Mache ich seit der Schule und funktiniert immer!!!! #medbylaura #lernenbylaura #schulhacks #schultipps #schule #lernenmittiktok #auswendiglernen
Reply to @coolgirl.yes2 // #auswendig #auswendiglernen #lernen #lerntipp #lerntipps #schultipps #schulhacks #viral #trend #gutenoten #jesserenoten #abi #abitur
So kann man sich alles merken! ? #studyflix #lernenmittiktok #learnontiktok #studytok #schule #uni #studyhacks #fyp #abitur #abitur2022
Psychologische Tipps fürs besser Auswendiglernen #psychologie #fy #schule #InstaxChallenge
Tipps beim Auswendiglernen ?? || Lernzettel auf IG jerome.1011 ??? || #studygram #school #schule #tipps #schultipps #foryou #fyp #lernen #fy #studying
30 Sekunden auswendig lernen und einfach bringen… #fürdich #viral #witzig #lustig #unterhaltung
Historische Anmerkung
Das lateinische Wort „memoria“ – Memorieren bezeichnet bekanntlich das Auswendiglernen – bedeutet „Gedächtnis“ oder „Erinnerung“, „Ereignis“ oder „Nachricht“. Auch die Geschichte als Überlieferung sowie die Zeit als Gegenstand der Erinnerung sind Aspekte, die dieser lateinische Begriff in sich birgt. Nicht zuletzt bezeichnet „memoria“ als Kunst des Auswendiglernens einer Rede auch einen Topos der klassisch-antiken Rhetorik. Für das Ende dieser verinnerlichenden Mnemotechnik sorgte die Durchsetzung des Buchdrucks, die zur Etablierung des modernen Massenbuchmarktes führte. Das Medium Buch reduzierte als dauerhafter Speicher die Notwendigkeit, zu tradierendes Wissen auswendig zu lernen.
Literatur
Ebert, M. (2009). Wie lerne ich etwas auswendig?
WWW: http://mariusebertsblog.com/2009/11/15/
wie-lerne-ich-etwas-auswendig/ (09-11-15)
Lehmann , Ischta (2007). Leichter auswendig lernen. Zehn Tipps zum Auswendiglernen.
WWW: http://www.focus.de/schule/lernen/lernatlas/
fremdsprachen/lerntipps_aid_28595.html (08-08-11)
https://eltern.lerntipp.at/Kleine-Einmaleins-1×1-lernen.shtml (09-11-01)
https://schule.lerntipp.at/26/a.shtml (09-11-01)
http://www.teckbote.de/nachrichten/lokalnews_artikel,-Gedaechtnismetaphern-%E2%80%9Ere-auratisiert%E2%80%9C-_arid,83067.html (14-04-29)
https://www.deutschlandfunk.de/endlich-mal-erklaert-nutzt-auswendiglernen-nur-den-grauen.691.de.html (20-08-04)
Hi, yes this post is genuinely nice and I have learned lot of things from it concerning blogging. thanks.
You are in point of fact a excellent webmaster.
The site loading velocity is amazing. It seems that you’re doing any unique trick.
Furthermore, the contents are masterpiece. You have performed a magnificent task on this subject!
Super Artikel. Ebenfalls finde ich die Software Brainyoo sehr gut. Da kann ich anhand von Karteikarten oder Bildern mein Wissen und mein Langzeitgedächtnis sehr leicht trainieren. Und das ganze ist ja kostenlos und viel Spaß beim Lernen.
Kennen Sie die A-B-C-D Methode zum Einmaleins lernen?
Unter http://www.1x1trainer.net gibt es eine Anleitung zum A-B-C-D System und eine Übungshilfe – GRATIS.